Ich stoße nur mit dir an... - Ausstellung Hans Krestel

Nach einer fast unerträglich langen Zeit des Wartens freuen wir uns anlässlich seines Geburtstags mit Ich stoße nur mit dir an, wenn du mich anlügst mit der Wahrheit die erste umfassende Retrospektive Hans Krestels, des wohl renommiertesten Künstlers westlich des Kottbusser Damms, präsentieren zu dürfen.

Bereits zu Beginn seiner Karriere galt Hans Krestel als singulärer Ausnahmekünstler; ein Ruf, den er mit zahl- und namenlosen über die Jahre erworbenen Stipendien, Preisen und vor allem aufsehenerregenden Ausstellungen festigen konnte. Doch sein Weg zur bildenden Kunst ist, wie nur Wenigen bekannt, von Irrungen, Wirrungen, Brüchen und Niederlagen geprägt. Die ersten Ausstellungen in seiner Kinderstube provozierten Unverständnis bis Widerwillen und für einen kurzen Augenblick schien es, als würde Krestel seine aufkeimende Karriere neben seinen Bildern an einen freien Nagel hängen, bevor sie überhaupt richtig begonnen hatte. Es half auch nicht, dass seine Eltern sich in beneidenswerter Voraussicht als Sammler der ersten Stunde erwiesen und einige seiner Werke vor der Vernichtung und an die Kühlschranktür retteten (ein Verlust, dessen Folgen wir uns in unseren kühnsten Albträumen nicht auszumalen wagen).

Gleichwohl, von diesen ersten Niederschlägen ließ Krestel sich nicht entmutigen und entkam der künstlerischen Isolation, in die man ihn in Bayern regelrecht gestoßen hatte, indem er schließlich nach Berlin zog, um sich dort ganz dem Ausloten seines künstlerischen Strebens zu widmen. Tatsächlich waren es die unwiderstehlichen Reize der Metropole an der Spree, die ihn heftig stimulieren und seine lebensfrohe und tatkräftige Muse wecken sollten. Schon während seines Studiums begnügte sich Krestel nicht mit den Möglichkeiten der ihm gebotenen und naturgemäß beschränkten wie beschränkenden akademischen Strukturen und heuerte kurzerhand in einer der renommiertesten Kunstsammlungen der Stadt an; nicht ganz ohne Hoffnung, dort seine Werke unterzubringen. Zwar erwies sich diese Annahme als irrig, doch hielt ihn dies nicht davon ab, eine Galerie ausfindig zu machen, die sofort sein herausragendes Potential erkannte und mit einer langen Reihe an Ausstellungen unermüdlich förderte. Seit nunmehr sieben Jahren vertritt die Salongalerie KD28 den Künstler mit außerordentlichem Erfolg.

Krestels Werk stellt ein herausragendes Beispiel künstlerischen Schaffens seiner Generation dar und beeindruckt durch eine noch nie dagewesene Kombination von Themenkomplexen: Die Vergeblichkeit menschlicher Bestrebungen wird hierbei mit einer originären Komik, der heilige Ernst der Arbeit mit dem ungebrochenen Begehren nach dem Überflüssigen verknüpft – Beziehungen, die in der Kunst zuvor als schlicht unmöglich gegolten hatten. Dabei versteht es Krestel wie kein Zweiter die Sehgewohnheiten der Betrachter zu hinterfragen und ihnen zugleich eine radikal veränderte Sicht auf das nur scheinbar allzu Bekannte ermöglichen.

Der Künstler entzieht sich mit seinen Arbeiten jeglicher Zuordnung zu einer der aktuellen Strömungen der zeitgenössischen Kunst – wahrlich, wir haben es probiert! – und zielt damit direkt auf die vorherrschende Wahllosigkeit in unserer doch von Auswahl im Grunde völlig überwältigen und erstickten Gegenwart. Er scheut sich nicht, mitten in den Kern essentieller menschlicher Fragen vorzustoßen: Wie kann ich lieben? Was ist Sünde, was Glück? Ist genug Champagner kaltgestellt? Die Arbeiten sind in ihrer Materialität außerordentlich vielfältig – zu sehen sind neben Gemälden, Photographien und Collagen auch Plastiken und Installationen – und wirken wie ein mächtiger Befreiungsschlag eines schöpferischen Willens, der sich in vollem Bewusstsein über die Berechtigung seines Vorhandenseins Gehör zu schaffen versucht. Aus diesem Grund bleibt es nicht aus, dass Krestels Werke nicht bloß autobiographische Züge tragen, sondern Unzulänglichkeiten – die Abwesenheit im Noch-nicht und Nicht-mehr – und Brüche im Leben des Künstlers quasi an seiner statt wie Stigmata präsentieren.

Was da Blasen wirft, ist nicht nur der Schaumwein im Glas, sondern auch Krestels betörende Lügen, die uns die Wahrheit ein bisschen schmackhafter machen. Prosit, Hans!

So verarbeitet der Künstler in seinem Werk Puttenparade/Fest der Leichtigkeit das tragische Schicksal seines erblindeten Haustiers. Die von Gott gesandten Putten lassen ihre Unschuld währen eines Festes Stoff werden; eine weiche Decke ist es, die sich über ihren Köpfen wie eine Wolke erhebt. Es ist der Thron für einen Hund, der wie ein Engel gleichsam schläft und über die Putten wacht. Mit der zur Anwendung gebrachten brillanten Collagetechnik versteht es der Künstler, dieses die Unschuld verkörpernde Tier nicht bloß zu heiligen und es in den Rang des Unsterblichen im wahrsten Sinne zu erheben; er weist zugleich über das Dargestellte hinaus, direkt in die Herzen der angerührten Betrachter – denn unsere Herzen sind es, die Wahrheit zu sehen vermögen, nicht unsere trügerischen Augen.