Brief an keinen Liebhaber

nachdem wir die letzten zwei Tage ohne Ende miteinander verbracht haben, hocke ich weltverlassen in meiner Stube. Auf dem Heimspaziergang habe ich Einfälle gehabt, die ich mit Dir teilen möchte. Das ist, weil mich etwas reizt, es zuckt so sehr in meinem Innern, dass ich herausfinden will, was es ist. Doch wie kann ich gleich groß werfen und Dir von der Liebe erzählen, der Lust und dem Zusammensein? Soll ich Dir nun sagen, was ich Dir nicht zu sagen wagte in Dein entzückend schönes Gesicht, nämlich wie schüchtern Du bist und prüde und dass ich Dich darum so reizend finde und so langweilig und fad? Olivar, meine Hoden schmerzen! Weil wir nicht zum Schluss gekommen sind, weil alles stundenlang so plötzlich für Dich war – Vor kurzer Zeit erst hast Du Deinen Mann verlassen, mit dem viele ein Paar Leben geteilt hast. Ich hingegen liebe die Männer und suche in einem jeden Einzelnen noch etwas Begehrenswertes zu finden. Und wie es sich anfühlt, nachdem wir uns und alles gefühlt haben, daran denke ich doch vorher nicht! Da dulde ich Deinen Zweifel, die Spur der Verachtung in Deinen von aufrechten Wimpern bekrönten Nussaugen nicht; dass Du denkst, dass ich billig bin und willig und wahllos und leichtgläubig. Aber natürlich hast Du Recht! Doch weißt Du, ich denke, dass ist Furcht, dass Du den Augenblicken und mir nicht traust und Abstand hältst, damit mein Trieb Dich nicht anfällt, wenn Du einmal unachtsam bist. Obwohl: Was wäre daran gewesen, hättest Du mal Dein steinhartes Teil aus dem Schlüpfer geholt, den Du immerhin wie einen Keuschheitsgürtel ganze zwei Tage und Nächte ununterbrochen anbehalten hast? Dass ich Deine ersten Tropfen blind und mit der Fingerspitze auflesen musste, sie zu kosten? Oder dass ich Deinen unfassbar haarigen Po barhändig geknetet hätte und geküsst und feucht geöffnet? Meinst Du, Du hättest alle Achtsamkeit verloren und die Hoheit aus der Hand gegeben und gingest unter, gingst verloren?

Ich gestehe Dir: Ich bin das nicht gewohnt, trotz flirrender Anziehung nicht ausgezogen und fragwürdig berührt zu werden; das macht mich wirr. (Wobei: Wer weiß, wie gut wir uns in nackter Erregung noch verstanden hätten?)

Wir haben mir so leid getan! Wie stolz Du bist auf Dein Bestreben und Deine Errungenschaften, hehr, sittlich, einwandfrei, gewöhnlich! Und Dich schämst für alles, was sich mit ihnen nicht verträgt; die Ablenkung, die Sinne. Wie haben wir die Zeit verbracht, bevor wir uns für Tage bei Dir einrichteten? Wir hatten Gemälde angeguckt, am andern Morgen Bilderbücher und später Gewächse im Botanischen Garten. Erinnerst Du Dich, wie wir staunten über die Mimosae – die schamhaften Sinnpflanzen –, die wie Deine Lippen – ich konnte es kaum glauben! – bei Berührung sich zusammenzogen; die sich nicht zu öffnen wagten, meine Zunge einzulassen und die in Entspannung so viel weicher, schöner sind, gerahmt von Deinem säuberlich hochschwarzgestutzten Bart. Was Deine Sinne mit Dir machen können, das habe ich doch schon hart zwischen uns gespürt. Und Deine Zierde habe ich in Deinem Gesicht entdeckt, das ich mit Vorliebe eindringlich betrachtet habe, weil ich jeden seiner Züge herausstellen wollte; Serpentinen, Berge zu besteigen, Mäander in die Täler. Das ist doch sonderbar! Dass aus der absoluten Nähe betrachtet, Dein Körper nichts als sinnlich ist – der Nacken, der geschmeidig an Dir emporläuft, bis er sich unscharf hinter Deinem Ohr verliert, das zwischen seinen Knorpeln eine Spalte freimacht, die mich die Zunge strecken lässt, sie darin zu versenken, bis Du vor Feuchtigkeit zusammenzuckst. Wirklich!, diese Kurven mit der Zungenspitze nachzufahren; feuchter Firnis. Dein Fleisch formfest und dehnbar und ich greife und beiße hinein und will weiterbeißen und Du findest Gefallen – dann aber zuckst Du und ziehst Dich dieser verdammten Pflanze gleich wieder zusammen und es ist die letzten beiden Tage so gegangen!

Als ich dann von Dir abließ, habe ich es aus der Distanz bemerkt; dass Du lächelst und nicht lachst, dass Du tänzelst und nicht tanzt. Kein Wunder, dass aus lauter Not vielleicht ich mich immer wieder in Dir verstecken will vor Deiner Lustlosigkeit und Deinem verhaltenen Verhalten; und immerhin in der Umarmung haben wir die Körper gemein. Das ist wesentlich, was Du mir geboten hast; dass Du gewohnt gewesen bist und weiter wohnen wolltest, als Du deinen Mann gefragt hast, ob er nach einem halben Jahrzehnt endlich mit Dir zusammenziehen will: Die nächtliche Statt, geborgen, aufgehoben zu sein, die Gewissheit am Morgen nicht kalt zu erwachen. Es war mir meine Freude.

Nun werde ich mich abwenden von Dir, die Augen schließen und den Druck ablassen, den ich heftig in meinem Unterleib spüre, während ich all die Berührungen zähle, die wir nicht gehabt, Olivar.

P.S.: Das Parfum, nachdem mein Nacken, war nicht von mir, sondern dem Mann, der an Deiner Statt die Nacht zuvor mit mir verbracht.