The Developer

Der zeitgemäße Immobilien- und Projektentwickler gibt sich geschmackssicher und anspruchsvoll, offen und gutmütig. Selbstbewusst gebiert er sich als Akteur der Stadtgestaltung. Die Mechanismen der Vermarktung hat er sich brav von Konsumgütern abgeschaut und gibt den Projekten generische Namen, die durch minimalen semantischen Aufwand Einzigartigkeit behaupten: The Shard, The Shelf, The Yard, The Cube, The Line, The Circle. Ein zweitklassiger Grafiker entwirft dazu ein Logo nach gängiger Mode, Agenturhäschen werden bemüht, im Poesikasten der Öffentlichkeitsarbeit zu wühlen, um die abgegriffenen Träumereien der Entwickler wortmalerisch zu preisen.



Unbezahlte Praktikanten dürfen sich dann aus einer Menschenfotothek treudoofe Familienväter und weißgebissige Pferdeschwänze aussuchen und in überbelichtete Visualisierungen des Projekts montieren, die trotz des immensen finanziellen Aufwandes stets billig wirken. Plakate werden großflächig präsentiert. Architekten scheinen in der Blaupause nicht vorzukommen, egal ob Splitter, Linie, Kreis oder Regal (!), die Bauten interessieren sich nicht für ihre Umgebung, noch möchten sie anderes sein als funktionaler Allerweltsgeschmack.



Derweil entwickelt der Entwickler auf den zu entwickelnden Grundstücken von willfährigen jungen Menschen geführte temporäre Läden, Galerien für angesagte Ästhetiken oder ein ungezähltes Café und behauptet die Glaubwürdigkeit des Urbanen. Er ist Gönner einer nach dem Neuen lechzenden Stadtgesellschaft, natürlich nur, bis alle Investoren überzeugt sind, Geld durch fadenscheinige Treuhände fließt und das großangekündigte Unikum manifestiert werden kann. Dann verschwinden die Gesten der Anbiederung so schnell, wie sie gekommen waren.



Den Interessierten bietet der Entwickler eine Reise an: In einem absichtsvoll minimalistisch eingerichteten Showroom ist eine Auswahl Limonaden nebst Öffner auf dem Sideboard drapiert, in angelehnten Regalen stehen Cafétischbücher, danebst Récamieren, auf denen niemals jemand liegt. Die sogenannte Costumer Journey beginnt vor einem hinterleuchteten Architekturmodell, das den potentiellen Käufern die überaus zentrale Lage schmackhaft macht anhand metallener Miniatursehenwürdigkeiten der Umgebung. Eine stilglobalisierte Schicht Wohlhabender, die kaum einen idiosynkratischen Geschmack kultiviert haben, können sich – wie Heeresführer über Landkarten – über ein adrett geschliffenes Holzmodell beugen und sich ad hoc historisch und in neu gewonnener Urbanität verorten. Sie blättern mit einem Glas Schaumwein in der Hand durch Materialkataloge und bestaunen das Furnier neuester Küchenkonfigurationen. Von Kiez ist keine Rede.



Denn die Kunden werden keine Nachbarn werden, sie nehmen das Projekt stückweise in ihr Investmentportfolio auf und wohnen lieber nirgends. Die Häuser, die den Namen nicht verdienen, werden tagsüber mit dem Start-Up-Prekariat oder grauen Damen und Herren der Verwaltung bevölkert und stehen nachts wie wochenends einsam an der Straßenecke wie eine abgehalfterte Prostituierte.



So weit, so gängig. Sonderbar nur, dass es die korrekte Übersetzung von Property Development nicht in den Sprachgebrauch geschafft hat. Andererseits: Eigentum verpflichtet.