Postkarte aus Mexiko-Stadt

Lieber Daheimgebliebener,

ein Dutzend Kapuzinerinnen (Nonnen, kein Schaum) bewohnen ein modernistisches Konvent der mexikanischen Klemmschwester und Architektin Luís Barragán. Er entwarf ihnen ein fotogenes Armutszeugnis – Beweise habe ich keine, denn unsere schwarzen Spiegel wanderten sämtlich in die hingehaltenen Bastkörbchen der Telefonkollekte – mit Farbenspielen in Beton, wohl durchdachten Schatten und viel armen, kargen Holz. Er entwarf sogar den Beichtstuhl – bloß Sünden konnte ich nicht finden! Stattdessen einen modernistischen Aschenbecher auf einem modernistischen Tisch zwischen modernistischen Stühlen (autsch!), damit die selbstgewählte Armut von der Familie zu Besuchszeiten bewundert werden kann. Statt Klinken greift man nach kubistischen Holzknäufen, und sogar die Roben hat der Architekt entworfen! Die Armut ist nicht umsonst zu haben und von Dienstag bis Sonntag führen Schwestern zwei Mal täglich Architekturliebhaber und sicher einige Enttäuschte, die auf Schnappschüsse für ihre Lebensfotoalben hofften, und denen Bilder mehr als fromme Worte sagen. Besser weiß es doch die Bibel, dass man sich kein Bild machen soll, und so bleibt uns nur Erinnerung – und der Satz Postkarten, den es zwischen Rosenkranz und anderem Nippes vor dem Ausgang zu erstehen gab. Mit leeren Händen wollte ich nicht gehen und kaufte meiner Großmutter ein Fläschchen Eierlikör.

Bis bald!

Dein

NP